15.07.2018

Das Glasperelnspiel - Anleitung zum Beten des Rosenkranzes


 Zur Förderung des Rosenkranzgebets bringen wir hier einen In der Tageszeitung „Die Welt“ kürzlich erschienenen Artikel über die Haltung des TrainerS der kroatischen Mannschaft während der WM 2018. Interessant ist auch eine Anleitung zum Beten des Rosenkranzes im Artikel. 
Das Grasperlenspiel
VON LUCAS WIEGELMANN

Der kroatische Trainer Zlatko Dalic betete, um im Spiel gegen England cool zu bleiben Wenn es eng wurde, berührte er den Rosenkranz in seiner Tasche. Eine Anleitung
Die Körpersprache des Zlatko Dalic spiegelte den wilden Verlauf dieses merkwürdigen Fußballspiels auf den ersten Blick nur bedingt wider. Ja, hin und wieder riss er die Arme in die Höhe, klatschte in die Hände oder zeichnete irgendwelche unverständlichen Laufbewegungen in die Luft. Oft aber sah man Dalic einfach nur ganz ruhig dastehen in seiner Coachingzone, die Hände in den Hosentaschen verborgen. Glaubt man Dalics eigenen Angaben, sind solche Momente allerdings für seine Arbeit mindestens genauso wichtig wie das Fuchteln und Dirigieren. Es sind die Momente, in denen Zlatko Dalic seinen Rosenkranz berührt.


Zu Beginn der WM hatte Dalic einem katholischen Radiosender in Kroatien ein Interview gegeben. Darin sagte er: „Alles, was ich in meinem Leben und in meiner professionellen Karriere getan habe, verdanke ich meinem Glauben und ich bin dem Herrn dafür dankbar.“ Deshalb trage er jederzeit einen Rosenkranz bei sich. „Wenn ich merke, dass es schwierig wird, stecke ich meine Hand in die Tasche und halte mich daran fest. Dann empfinde ich auf einmal alles leichter.“ Manchmal zieht Dalic seinen Rosenkranz auch hervor, eine Kette mit weißen Perlen, die er sich um die Faust wickelt.
Tatsächlich ist auffällig, dass Zlatko Dalic auch in den hektischsten Phasen des Turniers bisher immer die Ruhe weghatte. Der Rosenkranz könnte ihm dabei geholfen haben. Das Rosenkranzgebet ist ein jahrhundertealter Trick (!), mit dem katholische Christen ihre Gedanken zu ordnen, sich auf Gottes Nähe zu konzentrieren und Ruhe ins Boot zu bringen versuchen. Für Ungeduldige ist der Ablauf dieses Gebets wegen seiner ständigen Wiederholungen ziemlich langweilig; geübte Rosenkranzbeter schwören aber auf die meditative Kraft, die sich gerade durch die monotone Gleichförmigkeit entfalten soll.
Die äußere Gestalt der Rosenkranzkette entspricht dem Aufbau des Gebetes. Der Grundablauf geht so: Fünf Gruppen à zehn Perlen gleicher Farbe (in Dalics Fall weiß) stehen für fünf Gruppen aus je zehn Ave-Maria, die 1aut oder leise, alleine oder mit anderen Gläubigen gebetet werden. Diese Zehnergruppen von Ave-Maria werden unterbrochen von je einer andersfarbige Perle (oder einem Anhänger), die für ein Vaterunser steht. Der Beter braucht nicht mitzuzählen, beim wievielten Ave-Maria er gerade ist, sondern er wandert beim Beten mit den Finger von Perle zu Perle.
Dieses Grundmodell wird nun bei jedem Durchgang leicht erweitert: Jedes Rosenkranzgebet ist nämlich einem bestimmten theologischen Thema gewidmet, über das der Gläubige besonders nachdenken soll, etwa der Mutterschaft Mariens, der Passion Jesu oder seine Auferstehung. Jedes dieser Themen ist formuliert in fünf „Rosenkranzgeheimnissen“ oder „Gesätzen“ (von Satz). Sie werden an einer bestimmten Stelle des jeweiligen Ave-Maria eingefügt. Zusammen mit einer Art Vorspann des Gebets (einmal Glaubensbekenntnis, einmal Vaterunser, dreimal Ave-Maria) dauert eine Runde Rosenkranz insgesamt etwa zwanzig Minuten. Da Kroatien im laufenden WM-Turnier stark zu Verlängerungen neigt, könnte Zlatko Dalic also theoretisch bis zu sechs vollständige Rosenkränze pro Spiel schaffen.
Dass Dalic seinen Rosenkranz so gern mit zur Arbeit nimmt, passt gut zum Ursprung dieses Gebets. Der Rosenkranz entstand einst als populärer Ersatz für das Stundengebet der Priester und Mönche, das viel aufwendiger und komplizierter ist und für die geschützte Sphäre der Kirchen und Klöster gedacht war. Der Rosenkranz hat seinen Platz seit jeher im Alltag der Laien. Ein paar Vaterunser und Ave-Maria konnte schon im Mittelalter jeder beten, auch wenn er nicht lesen und schreiben konnte.
Die Tradition reicht weit zurück, wohl bis ins 13. Jahrhundert. Der Wortlaut der noch heute gebräuchlichen Gesätze taucht erstmals in einer Zisterzienserschrift von 1483 auf. Die überragende Bedeutung, die man diesem Gebet schon bald für das Seelenheil der Gläubigen zusprach, kann man in Michelangelos „Jüngstem Gericht“ in der Sixtinischen Kapelle sehen, wo manche Verstorbene mit Rosenkränzen als Abschleppseilen aus der Unterwelt hinauf ins Licht gezogen werden.
Nach der Reformation wurde der Rosenkranz zugleich eine Art Erkennungsmerkmal der Katholiken. Protestanten beten kein Ave-Maria und folglich auch keine Rosenkränze, weil bei ihnen die Marienverehrung eine kleinere Rolle spielt. Papst Paul VI. dagegen nannte den Rosenkranz noch in den 70er-Jahren eine Kurzfassung des ganzen Evangeliums“. Und Johannes Paul 1I., einer der glühendsten Rosenkranzverfechter aller Zeiten, hat sogar eine Gruppe neuer Gesätze erlassen.
Indem Trainer Zlatko Dalic sich in diese Tradition stellt, lenkt er auf eine uralte Frömmigkeitsübung, die vielen Menschen schon in schweren Zeiten Halt gegeben hat, wieder neue Aufmerksamkeit. Allerdings muss offen bleiben, ob es ohne Dalics Stoßgebete am Ende vielleicht doch beim 1:0 für England geblieben wäre - oder aber ob Kroatien nicht sogar 3:1 gewonnen hätte, hätte Dalic einfach ein paar Mal häufiger in seine Hosentasche gelangt. Wie viel Anteil der liebe Gott an einzelnen WM­Spielen nimmt, ist umstritten, Rosenkranz hin oder her. Der renommierte Theologe Eberhard Schockenhoff gab schon während der WM 2014 in Brasilien zu bedenken: „Die Theologie ist skeptisch, Gott zu sehr in die menschlichen Angelegenheiten hineinzuziehen. Wenn er allwissend ist, weiß er sowieso, wer Weltmeister wird.“

Quelle: „DIE WELT“, 13. Juli 2018, S. 18 (Feuilleton).

Anm. von diesem Blogg: Die Aussage des renommierten Theologen stimmt nicht mit dem Katholischen Katechismus überein. Dort heißt es unter vielen anderen Stellen: „Wer an der rettenden Liebe Gottes teilnimmt, begreift, daß jedes Bedürfnis Gegenstand des Bittens werden kann. Christus, der alles angenommen hat, um alles zu erlösen, wird durch die Bitten, die wir in seinem Namen dem Vater darbringen, verherrlicht. Mit dieser Zuversicht ermahnen uns Jakobus und Paulus, jederzeit zu beten.“ (KKK 2633)
Im Sinne der erwähnten „skeptischen Theologie“ wäre jedes Beten nutzlos, denn „Gott ist allwissend“; abertrotzdem müssen wir Ihn „sehr in die menschlichen Angelegenheiten hineinziehen“! „Betet (bittet) ohne Unterlass“, sagt der hl. Paulus (1 Thess 5,17)
Beten ist immer möglich: „Selbst auf dem Marktplatz oder auf einem einsamen Spaziergang ist es möglich oft und eifrig zu beten. Auch dann, wenn ihr in eurem Geschäft sitzt, oder gerade kauft oder verkauft, ja selbst wenn ihr kocht“ (hl. Johannes Chrysotomus, ecl. 2). (KKK 2743)

„Auf einmal alles leichter“;Zlatko Dalic im WM-Halbfinale. Bildlegende zum Artikel

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