Das Fest Mariä Verkündigung ist eines der ältesten Feste der
Kirche. Schon in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts wurde es in der
morgenländischen Kirche gefeiert. Viele behaupten, dass es apostolischen
Ursprungs sei. Es ist sowohl ein Fest des Herrn als auch ein Fest der Mutter
Gottes und erinnert an jenen Augenblick, in welchem der Engel Gabriel der
seligsten Jungfrau verkündete, dass sie die Mutter des Messias, des Sohnes
Gottes, werden sollte. Dieses Fest ist eines der schönsten, es ist der große
Ehrentag, an welchem Maria die Würde einer Gottesmutter erlangt hat. Nach alter
Überlieferung soll an diesem Tag Adam erschaffen, Christus Mensch geworden und
auch gestorben sein.
In der heiligen Messe dieses Tages weist die Kirche auf die
hohe Würde Mariens hin. „Alle Reichen unter dem Volke werden dein Angesicht
anflehen. Hinter ihr werden Jungfrauen zu dem König geführt; unter Freude und
Frohlocken werden ihre Nächsten zu dir gebracht“ (Ps 44,13. 15. 16.). „Es
quillt mein Herz von guter Rede; ich widme mein Lied dem König“ (Ps 44,1)
Gebet der Kirche: O Gott! Der Du gewollt hast, dass dein
ewiges Wort auf die Verkündigung deines Engels von der seligsten Jungfrau
Fleisch annehmen sollte, verleihe unserm demütigen Gebet, dass wir, die wir sie
als wahre Gottesgebärerin verehren, durch ihre Fürbitte Hilfe von Dir erlangen.
Das Evangelium der Verkündigung (Lk 1,26-38) ist so
ausführlich, damit wir das Geheimnis der Menschwerdung, durch welches uns alles
Heil zuteil geworden ist, recht ins Gedächtnis fassen, glauben und betrachten
mögen.
Der Engel wurde zu Maria gesandt, um ihr den Willen Gottes
zu erklären, nach welchem der Sohn Gottes, um das menschliche Geschlecht durch
sein Leiden und Sterben zu erlösen, aus ihr die menschliche Natur annehmen
wollte.
Die Menschwerdung des Sohnes Gottes war zu unserer Erlösung
notwendig, denn als Gott konnte Jesus weder leiden, noch würde Gott für die
Sünden der Menschen eine hinlängliche Genugtuung geschehen sein, wenn nicht
Gott selbst einen menschlichen Leib angenommen, sich darin gedemütigt und
gelitten hätte. — Hieraus wird die Bosheit der Sünde deutlich, für welche kein Mensch,
ja nicht einmal ein Engel, sondern nur ein Gottmensch Genugtuung leisten kann.
Gott hat die Einwilligung Mariä zu diesem Geheimnis verlangt,
um uns zu lehren, dass Gott keinen weder zum Guten, noch zum Bösen zwinge, und
damit wir wissen sollten, dass auch zu guten Werken, auf dass sie verdienstlich
seien, unsere gute Meinung und Einwilligung erforderlich sei.
Maria erschrak über diese Botschaft, teils aus Demut, teils
aus Schamhaftigkeit. Sie war so demütig, dass sie sich für die geringste unter
allen Frauen ansah und daher nicht begreifen konnte, wie ihr eine solche Ehre
widerfahren sollte. — Sie besaß eine solche Schamhaftigkeit und liebte die
jungfräuliche Reinheit so sehr, dass sie in Schrecken geriet, als sie aus des
Engels Munde vernahm, dass sie Mutter werden sollte. Doch sie hat Jesus
empfangen nicht aus dem Willen des Mannes oder des Fleisches, sondern auf eine
wunderbare Weise ist Er empfangen worden vom Heiligen Geiste.
R.P. Leonhard Goffine, Katholische Handpostille, kleine
Ausgabe bearbeitet von P. Theodosius Florentini. Verlagsanstalt Benzinger &
Co. A.G. vermutlich 1896.
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