Ein einziges Tröpflein des kostbaren Blutes hätte genügt,
um die ganze Welt zu erlösen. Die blutigen Schweißtropfen am Ölberg* hätten
hingereicht, es hätte keine Geißelung und keine Kreuzigung mehr gebraucht. Dem
Herzen des Erlösers aber hat es nicht genügt. Er wollte sein Blut bis zum
letzten Tropfen für uns opfern, er wollte seinen Opferleib auspressen lassen
wie eine Traube unter der Kelter, bis zum gänzlichen Verbluten. Welch eine
unbegreifliche Liebe! Hätte der Heiland sein Blut für Gerechte vergossen — es
wäre vielleicht noch zu verstehen. Ganz unbegreiflich aber bleibt es, daß er es
für Sünder, für seine Todfeinde vergossen hat. Darum sagt der hl. Augustinus:
„Wie groß ist der Wahnsinn dessen, der den Arzt tötet! Aber wie groß erst ist
die Macht und Güte des Arztes, der mit seinem eigenen Blute dem wahnsinnigen
Mörder ein Heilmittel bereitet!“
Wenn aber der Meister so verschwenderisch, so
opferwillig, so hochherzig war, müßten sich da seine Jünger nicht schämen, wenn
sie opferscheu, knauserig, engherzig wären gegen ihn? Sicherlich stand der Herr
schon gar manchmal vor deiner Türe und klopfte an: „Opfere mir das und das -
entsage dem und dem - tu es mir zuliebe! Schenk mir dein Leben!“ Und du? Hast
du dich vielleicht gestellt, als hörtest du sein Betteln nicht? Oder hast du
begonnen zu markten und feilschen: „Herr, was du da von mir willst, das kann
ich dir nicht geben. Alles sollst du haben, nur dieses eine - nein, das geht
beim besten Willen nicht!" Und du hast die Türe zugeklappt und den Herrn
stehengelassen.
Quelle: Alphons Maria Rathgeber, „Kirche und Leben“ – Ein
Buch von der Schönheit und Segenskraft der Kirche. Verlag Albert Pröpster,
Kempten im Allgäu 1956
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