31.12.2017

Wir schreiten ins neue Jahr

Des Christkindes Segen für das Neue Jahr


Es fällt uns nicht schwer, vom alten Jahr Abschied zu nehmen. Viele der Hoffnungen, mit denen wir das Jahr begannen, wurden nicht erfüllt. Viele Pläne fanden keine Verwirklichung. Das Jahr brachte uns und unser ganzes Volk nicht so weit vorwärts, als wir es geträumt hatten. Und viele von uns möchten die Geduld verlieren. Sie meinen, so viele Jahre nach Kriegsende müßten die Wunden, welche die Waffen schlugen, schon viel besser ausgeheilt sein. Sie vergessen, daß nach solch grauenvoller Verwüstung der Aufbau nicht so rasch vor sich gehen kann, wie ein indischer Fakir vor den Augen der staunenden Zuschauer einen Mangobaum emporwachsen läßt. Mit schlaffen Händen und stumpfen Herzen beginnen sie das neue Jahr. Sie wollen nicht glauben, daß für sie noch einmal das Glück einer behaglichen Häuslichkeit lächelt, daß für sie noch einmal ein geordnetes, gesichertes Leben beginnt. Ihnen sei als Neujahrslosung das Wort des Gesellenvaters Kolping zugerufen: „Niemals die Ohren hängen lassen, sondern mutig aufwärts schauen und mit nieversiegender Zuversicht am Werk Gottes vorwärts arbeiten! Nur was mit ihm und für ihn geschieht, bleibt bestehen, wenn auch der übrige Plunder holterdiepolter übereinanderpurzelt. Tragt Holz herbei und laßt Gott kochen!“ Ist das nicht ein wundervolles Rezept für den Jahresbeginn? Wir wollen nicht „wie solche, die keine Hoffnung haben“, die Ohren hängen lassen, sondern vertrauensvoll aufschauen zu ihm, der das Steuer der Zeit in seiner allmächtigen Hand hält. Wir wollen Holz herbeitragen und ihn kochen lassen. Auch im neuen Jahr wollen wir alle Tage unser gehäuftes Stück Arbeit vollbringen und uns mühen und plagen, aber im übrigen überlassen wir alles Gott. „Er wird es recht machen.“ Im Mittelpunkt alles Geschehens schlägt ja das Herz eines Vaters, der unser Bestes will, von dem das Wort des ehrwürdigen Ludwig von Granada gilt: „Bist du mein Vater, dann ist es natürlich, daß du mich liebst, daß du mir gibst, was mir nötig ist, daß du mich leitest, stützest, schützest, daß du mich belehrest, mich als dein Kind behandelst, zum Erben einsetzest ... Woran kann es mir gebrechen bei einem allmächtigen Vater, der Herr über die ganze Schöpfung ist? Welche Trübsal, welche Stürme können mich beunruhigen, wenn ich Gott zum Vater habe? Verfolgen mich Feinde, so ist er mein Schutz. Werde ich zeitlicher Güter beraubt, so gibt er mir immer noch das Notwendigste. Wandle ich in Finsternis und Todesschatten, so ist er mein Führer. Ja, erheben sich ganze Heere von Feinden gegen mich, so werde ich doch nichts fürchten, da du, mein Gott und Vater, bei mir bist.“ Der Gedanke an den fürsorgenden Vater im Himmel muß uns mit restlosem Vertrauen erfüllen. Er, der die Allmacht und Weisheit, die Güte und das Erbarmen ist, der immer helfen will und kann ­ er, unser Vater, hält unser Los in seinen Händen. Könnten wir geborgener sein? Seine väterliche Fürsorge waltet bis ins kleinste unseres Lebens. Er wacht und schützt, auch wenn er uns steile Zickzackwege der Prüfung wandeln läßt. Er ordnet alle Faden in seiner Vaterhand zu einem wundervollen Kunstwerk - mögen sie sich auch scheinbar noch so wirr hinziehen. Mag alles, was in unserem kleinen Leben oder in der großen Welt sich vollzieht, uns unverständlich vorkommen, von dem großen „Welttheater“, das sich vor unseren Augen abspielt und auf dessen Bühne wir selber stehen, gilt doch, was Eichendorff sagt:
Und keiner kennt den letzten Akt
Von allen, die da spielen.
Nur der da oben schlägt den Takt,
Weiß, wo das hin will zielen.
Das muß genügen, uns vor müder Hoffnungslosigkeit zu schützen: Gott weiß, „wo das hin will zielen“! Seiner Führung überlassen wir uns ohne Sorge. Der große Bischof von Konstantinopel, Johannes Chrysostomus, sagte in einer Predigt: „Die Fahrgäste schreiben dem Steuermann nicht vor, so oder so das Steuerrad zu führen und das Fahrzeug zu lenken, sondern sie bleiben ruhig auf ihren Plätzen und überlassen sich seiner Kenntnis, nicht bloß, wenn sie unter günstigem Wind fahren, sondern auch, wenn sie die äußerste Gefahr zu bestehen haben.“ Mag es auch manchmal scheinen, als stünde die ganze Hölle offen und bewahrheitet sich das Wort, das Anna Katharina Emmerick vor mehr als hundert Jahren für unsere Gegenwart gesprochen hat: „Ich sah im Jahre 50 oder 60 vor 2000 den Teufel auf eine Zeitlang losgelassen“ -, Gott wird den Teufel zur rechten Zeit wieder an die Kette legen und die Mächte der Hölle binden.
Als Papst Martin V. auf dem Konzil zu Konstanz gewählt worden war, begab er sich alsbald nach der Ewigen Stadt. Er fand sie zu seiner größten Trauer in einem ganz entsetzlichen Zustand vor. Lange Jahre war kein Papst dort gewesen, die Straßen waren verwahrlost und unwegsam. Sofort ließ der Papst einen Plan ausarbeiten, um Abhilfe zu schaffen. Mit der Durchführung wurden zwei Prälaten beauftragt, die die Amtsbezeichnung magistri viarum (Wegmeister) erhielten. Für alle Arbeiten war ihre Zustimmung notwendig: alle alten Hütten, die in der Zwischenzeit ohne Plan und Ziel aufgerichtet worden waren, mußten beseitigt werden, um dem Fortschritt nicht im Wege zu stehen.


Der Heilige Vater Pius XII. hat zum Wiederaufbau der zerstörten Welt auch zwei magistri viarum, zwei Wegmeister, bestellt. Es sind dies: das göttliche Herz Jesu und das Unbefleckte Herz Mariens. Ihnen soll die Menschheit wieder besonders feierlich geweiht werden, auf ihre Hilfe und Fürbitte wollen wir unser ganzes Vertrauen setzen. Besseren „Wegmeistern“ kann der Wiederaufbau der Welt nicht anvertraut werden. In kindlichem Vertrauen und in gläubiger Hingabe an diese beiden Herzen gehen wir voll Zuversicht hinein in das neue Jahr - in das Jahr der Gnade und des Heiles.

Alphons Maria Rathgeber „Kirche und Leben“ ein Buch von der Schönheit und Segenskraft der Kirche. Verlag Albert Pröpster, Kempten im Allgäu 1956. S. 215ff

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