31.12.2017

Rosenkranzbetrachtung

Den Du, o Jungfrau, im Tempel wiedergefunden hast

Mehrere Schriftstellen aus Lukas 2 sind hier simultan dargestellt. a) Man sieht, wie der Zwölfjährige mit den Schriftgelehrten diskutiert: Jesus breitet seine Hände aus, und der rechts neben ihm Sitzende wiederholt die Haltung seiner linken Hand, als meinte er das Gleiche. b) Inhalt des Gespräches sind Stellen aus dem Alten Testament: Der auf einem Podium stehende Jesus weist auf das neben ihm aufgeschlagene Alte Testament, während zwei Schriftgelehrte die Tora aufgerollt haben und einer von beiden auf eine Stelle im Buch Moses zeigt. c) Alle vier Gelehrten sind erstaunt über die Antworten des Jesusknaben, wie man unschwer aus ihren Gesichtern ablesen kann. d) Und schließlich erklärt der Jesusknabe hier seinen Eltern, dass er im Hause seines Vaters sein muss. Während Joseph zu ihm aufblickt, als verstände er dies nicht, faltet Maria ergeben die Hände. In ähnlicher Haltung findet man Maria wieder unter dem Kreuz. Dies erinnert daran, dass die Begegnungen mit ihrem Sohn im Tempel und am Kreuz zu den Sieben Schmerzen Mariens zählt.
Die Hintergrundarchitektur zeigt, dass das Streitgespräch in einem Tempel stattfindet. Angedeutet ist hier ein Rundtempel, ähnlich dem römischen Pantheon.
Die rechte Säule und der Vorhang liegen im Vordergrundschatten, während man im Hintergrund durch ein Tor in eine helle Landschaft blicken kann. Dieser Kontrast gibt dem Bild Tiefe. Oben im Bild sieht man einen zurückgezogenen Vorhang. Er gibt den Blick des Betrachters frei auf das theatrum sacrum im Tempel von Jerusalem. Auch der leseunkundige Betrachter kann so ein Ereignis aus dem Leben des Jesusknaben erfahren.
Eigenartig ist die Beleuchtung: Das Licht fällt anscheinend durch ein Fenster links oben in den Tempel ein, streift zwar noch den rechten Arm des Jesusknaben, stellt hingegen sein Gesicht in den Schatten und beleuchtet bzw. verschattet die Personen unabhängig von ihrer Bedeutung. Um trotzdem die heilige Familie hervorzuheben, haben Jesus, Maria und Joseph einen Nimbus, einen Heiligenschein.
Kunstgeschichtlich interessant ist der linke, im Vordergrund sitzende Schriftgelehrte. Er kommt in mehreren Bildern Bergmüllers vor. Diese Person malte der Franzose Jean Andre (1662 - 1753) in einem gleichthematischen Bild. Nach diesem Gemälde wurden Kupferstiche gefertigt, so z.B. vom Kupferstecher Nicolas Henri Tardieu (1774 - 1749). Solche französischen Stiche fanden sich schon unmittelbar nach dem Druck auf dem Augsburger Kunstmarkt. Heimische Maler erwarben sie, sie legten sich einen sogenannten Genievorrat an und werteten sie aus, d.h. sie übernahmen einzelne Personen, oder Gruppen, aber auch die ganze Darstellung, wenn sie ein Bild zu malen hatten. Dies machten sie, um möglichst modern zu malen. Alois Epple
(Artikel in DER FELS Januar 2012)
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