27.03.2017

Für ein Evangelium ohne Abstriche




„Was Er euch sagt, das tut!“ Diese Worte Mariens an die Jünger Christi gelten allen Christen. Und bei ihren Erscheinungen wiederholt Maria im Grunde genommen nur ihre biblische Bitte: „Was Er euch sagt, das tut!“

Doch in unserer Zeit ist es modern geworden, das Wort Jesu zu verkürzen, zu entstellen oder beliebig zu interpretieren. Der Papst der 33 Tage, Johannes Paul I., hat noch als Kardinal von Venedig, zwei Jahre vor seiner Papstwahl 1978, dieses verhängnisvolle Verhalten kritisiert und wegweisende Worte dafür gefunden:

Stichwort Evangelium: Ich habe gelesen, dass in Paris einmal ein Priester predigte,  der ziemlich ungebildet und auch kein großer Redner war, der aber dennoch massenweise Zuhörer anzog. „Wie erklärt sich Euch dieses Phänomen?“ fragte Ludwig XIV. einen Höfling. „Sire“ - gab der zur Antwort - „dieser Priester beschränkt sich darauf, schlicht und einfach das unverkürzte Evangelium ohne Abstriche zu verkünden. Und ihr wisst ja, wie gierig die Pariser auf Neuigkeiten sind. Deshalb laufen sie alle hin.“

Ich habe den Eindruck, dass es auch heute eine Neuigkeit und eine Rarität ist, das ganze, unverkürzte Evangelium verkündet zu hören. Da und dort wird es nämlich angeknabbert.  Oft kann man das Wort hören: „Wehe euch, ihr Reichen!“ Aus Jesus, dem Retter, Erlöser und Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt, ist ein bloßer „Befreier“ von sozialer Ungerechtigkeit geworden, der in ständigem Kampf liegt mit den politischen Mächten. Er schwingt die Geißel,  um die Händler zu vertreiben, doch das waren in Wirklichkeit nur einfache, kleine Taubenverkäufer:  Ihre Vogelkäfige wurden umgestürzt, weil sie nicht in den Tempel passten. Doch meist wir es so dargestellt, als seien sie die Kapitalisten von damals gewesen. Man stellt — und zwar mit Recht —  den auferstandenen Jesus in den Vordergrund, aber man vergisst zu sagen, dass Jesus vor seiner Auferstehung aus freiem Willen Leiden und Tod auf sich genommen hat um des Vaters willen und wegen unserer Sünden.

Quelle:  Fatima Ruft – Heft Nr. 165 – März 2006 

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