Pater Gerd Heumesser
Zusammenfassung
An Ostern feiern wir nicht nur die
leibliche Auferstehung Christi, sondern auch unsere eigene geistige
Auferstehung, die uns mit der heiligmachenden Gnade belebt und so in ein neues
Leben versetzt. Die besondere Gnade des Osterfestes besteht darin, dass wir
jedes Jahr ein Stückchen mehr geistig auferstehen, also in der heiligmachenden
Gnade wachsen. Darum hat Christus gelitten und ist gestorben, um uns ein
Stückchen göttlichen Lebens zu schenken.
Die
Fastenzeit ist dazu da, uns auf diese Gnade vorzubereiten. Wir können uns
darauf auf drei verschiedenen Wegen vorbereiten. Erstens, wenn wir die
Hindernisse der Gnade wegräumen, vor allem die Sünde und das weltliche Denken.
Zweitens, indem wir die Gnade nutzen, die wir bereits erhalten haben, also
bewusst aus der heiligmachenden Gnade leben und die Liebe zu Gott üben bei
allem, was wir tun. Drittens, wenn wir uns mit dem Leiden Christi verbinden, denn,
wenn wir mit ihm leiden, werden wir auch mit ihm auferstehen. Darum verbinden
wir uns mit seinem Leiden durch die Betrachtung, dadurch, dass wir auch etwas
ertragen zusammen mit dem Herrn, und durch die andächtige Mitfeier der heiligen
Messe. So machen wir uns bereit, an Ostern wirklich ein Stückchen mehr geistig
aufzuerstehen.
Der Sinn der Fastenzeit
Nach allgemeinem christlichem Brauch
liegen die vierzig Tage der Fastenzeit vor dem Osterfest. Auch zu anderen
Zeiten des Jahres könnte man mit gutem Grund fasten. Man könnte sagen: Ich will
das Fasten Christi nachahmen. Christus aber hat direkt nach seiner Taufe
gefastet. Dann müsste die Fastenzeit nach der Feier der Taufe Jesu beginnen.
Und tatsächlich gab es Zeiten in der Geschichte der Kirche, wo man an
Epiphanie, dem liturgischen Gedenken der Taufe Jesu, mit dem Fasten begann.
Doch nicht diese vierzig Tage haben sich in der Christenheit als allgemeine
Fastenzeit durchgesetzt, sondern die vierzig Tage vor Ostern. Und das aus gutem
Grund.
Thomas von Aquin begründet es mit ganz
grundsätzlichen Überlegungen (II.II. 147.8). Das Fasten soll zweierlei
bewirken: Es soll die Sünden tilgen und die Seele erheben. Darum fastet man am
besten zu der Zeit, in der die Christen besonders gereinigt werden müssen von
der Sünde und in der sie ihre Seele besonders zu Gott erheben sollen. Beides
ist vor Ostern am dringendsten. Denn an Ostern feiern wir eine zweifache
Auferstehung: die leibliche Auferstehung Christi und unsere geistige
Auferstehung, die wir erstmals bei unserer Taufe erfahren haben. Unsere Taufe
nennt der hl. Paulus eine Auferstehung (Röm 6,4.11; Kol 2,12;), weil wir hier
neu belebt wurden durch die heiligmachende Gnade. Sie ist ein Stückchen
göttliches Leben, durch das wir geistig von Gott auferweckt, also wieder
lebendig gemacht wurden.
Was
feiern wir an Ostern?
Die leibliche Auferstehung Christi und unsere geistige Auferstehung haben sehr viel Gemeinsames, so viel, dass es sich geradezu aufdrängt, beide in einer gemeinsamen Feier zu begehen. Die leibliche Auferstehung Christi ist das Urbild unserer geistigen Auferstehung. Wenigstens sechs Parallelen drängen sich auf.
Auferstehung
schenkt eine neue Existenzweise
Erstens: Christi Menschheit wurde bei
seiner Auferstehung in ein ganz neues Sein umgewandelt. Es ist keine weltliche
Existenzweise mehr, sondern eine himmlische und das so sehr, dass der
Auferstandene gar nicht mehr richtig zu dieser Welt hier passt. Darum fuhr der
Auferstandene in den Himmel auf, weil sein auferstandener Leib viel eher zum
Himmel passt als zu dieser Erde. Der Leib des Auferstandenen hatte nicht
einfach lediglich neue Fähigkeiten erhalten, so dass er jetzt blitzschnell von
Emmaus nach Jerusalem kommen konnte, sondern sein ganzes Wesen ist durch die
Auferstehung verwandelt worden. Seine neuen Fähigkeiten haben ihre Wurzel in
seinem umgewandelten Wesen.
Ähnlich wandelt unsere geistige
Auferstehung durch die heiligmachende Gnade unsere Seele um zu einem neuen
Sein. Wir erhalten eine neue Existenzweise, nicht nur neue Eigenschaften. Der
hl. Thomas betont, dass die heiligmachende Gnade das Wesen der Seele erhebt.
Gott heftet uns nicht bloß äußerlich eine paar Fähigkeiten an, die die
Fähigkeiten unserer Seele übersteigen, sondern er erhebt unsere ganze Seele, so
dass die Fähigkeiten dem Inneren entsprechen. Thomas erklärt das mit einem
Vergleich aus der Natur. Kein Lebewesen hat Eigenschaften, die nicht zu seinem
Wesen passen. Gott heftet nicht einer Maus Flügel an und sagt dann zu ihr:
Fliege jetzt! Sondern Gott erschafft die Vögel, die von ihrem ganzen Wesen her
aufs Fliegen ausgerichtet sind. Ihr Knochenbau, ihre Verdauungsorgane sind
optimal ans Fliegen angepasst. Sie werden nicht trächtig, sondern legen Eier,
so können auch werdende Mütter problemlos fliegen. So schenkt uns Gott im
geistigen Bereich nicht bloß die Fähigkeiten, dass wir Gott jetzt lieben
können, dass wir uns den Himmel verdienen können usw., sondern er erhebt unser
ganzes Wesen durch die heiligmachende Gnade auf ein übernatürliches Niveau.
Darum ist die Begnadigung eine geistige Auferstehung.
Auferstehung
ist ganz und gar übernatürlich
Zweitens: Die leibliche Auferstehung
Christi war jenseits von allem, was die Natur von sich aus kann, unter rein
natürlichem Gesichtspunkt ist sie ganz und gar unerklärlich. Sie war ein
direktes Eingreifen Gottes in den Lauf der Natur.
Auch unsere geistige
Auferstehung durch die Gnade steht ganz und gar über allem, was die Natur von
sich aus kann. Kein Geschöpf kann sich die Gnade geben. Niemand kann sagen: Ich
kann die Gnade nicht selber produzieren. Wir können nicht sagen: Wenn mir dies
oder das gelingt, dann wird mir automatisch die Gnade gegeben. Die Gnade ist
immer das Ergebnis vom Wirken Gottes.
Auferstehung macht geistähnlich
Drittens: Die
Auferstehung Christi hat seinen Leib geistähnlich gemacht. Der Leib des
Auferstandenen ist zwar noch ein Leib, aber ein Leib mit geistähnlichen
Eigenschaften. Er kann blitzschnell von einem Ort zum anderen kommen. Er kann
sein Aussehen ändern, wie es die Seele will. Durch die Auferstehung wurde der
Leib Christi gewissermaßen vergeistigt.
Auch wir wurden durch
unsere geistige Auferstehung vergeistigt. Wir sollen nicht mehr im Fleische
wandeln, sondern im Geist, nicht so, wie es die sinnlichen Triebe wünschen,
sondern so, wie es für die Seele gut ist. „Wandelt im Geiste“, sagt Paulus,
„dann werdet ihr nicht die Gelüste des Fleisches vollbringen.“ (Gal 5,16)
Auferstehung macht unsterblich
Viertens: Seit seiner
Auferstehung ist der Leib Christi unsterblich. Er ist so dem Tod entrissen,
dass er nie mehr sterben kann. Unsere geistige Auferstehung schenkt unserer
Seele ewiges Leben. Wer die heiligmachende Gnade im Herzen trägt, ist dem
ewigen Tod entrissen. Er wird ihm nicht verfallen, solange er göttliches Leben
in sich trägt.
Auferstehung macht herrlich
Fünftens: Der Leib
Christi wurde durch seine Auferstehung herrlich, verklärt, strahlend. Der
Auferstandene ließ diese Herrlichkeit zwar nicht immer aufleuchten, aber
grundsätzlich war sie da. Unsere geistige Auferstehung macht unsere Seele
herrlich. Diese Herrlichkeit nehmen wir zwar nicht wahr –abgesehen von wenigen
Heiligen, die die Herrlichkeit einer begnadeten Seele sehen durften –aber sie
ist trotzdem real da. Die Herrlichkeit einer begnadeten Seele ist so groß, dass
Thomas es für ein größeres Werk hält, wenn Gott einer Seele die heiligmachende
Gnade schenkt, als wenn er alle Schönheiten des Universums erschafft.
(I.II.113,9ad2).
Auferstehung schenkt Frieden und Ruhe
Und sechstens trat
Christus durch seine Auferstehung in einen Zustand des Friedens und der Ruhe
ein. Keine Angriffe und keine Schwierigkeiten können den Auferstandenen Herrn
erreichen. Er lebt in ungestörter Ordnung.
Durch unsere geistige
Auferstehung treten auch wir in einen Zustand der Ruhe ein. Eine Seele im
Gnadenstand hat Frieden mit Gott; sie ist mit ihm versöhnt, sie hat Frieden mit
sich selbst, weil der Geist über das Fleisch herrscht, und sie hat Frieden mit
den Nächsten.
Da also die leibliche
Auferstehung Christi das Urbild unserer geistigen Auferstehung ist, ist es
klar, dass wir an Ostern beide Auferstehungen feiern.
Bei Christus plötzlich –bei uns nach und nach
Neben diesen
Gemeinsamkeiten unterscheiden sich diese beiden Auferstehungen aber in einem
zentralen Punkt: Die leibliche Auferstehung Christi war in einem einzigen
Augenblick vollendet. Der Leib Christi war nicht zuerst nur ein bisschen
lebendig und wurde dann mit der Zeit immer lebendiger, sondern erhielt im
Augenblick seiner Auferstehung seine ganze Lebensfülle.
Ganz anders verläuft
unsere geistige Auferstehung. Im Augenblick unserer Taufe erhielten wir zwar
ein Stückchen göttliches Leben und wurden dadurch in eine neue Existenzweise
umgewandelt. Aber wir erhielten nicht die ganze Fülle göttlichen Lebens, die
Gott für uns vorgesehen hat. Gott will sie uns nach und nach schenken und wir
sollen dabei mitwirken. Mit anderen Worten: Wir können immer noch weiter
auferstehen, immer noch ein weiteres Stück göttlichen Lebens erhalten. Bei den
Heiligen ist das offensichtlich. Sie haben die Gnade, die sie bei ihrer Taufe
empfangen haben, immer weiter wachsen lassen, so dass sie am Ende ihres Lebens
offensichtlich mehr vom göttlichen Leben erfüllt waren als bei ihrer Taufe.
Die Gnade des Osterfestes
Wie jedes Fest im
Kirchenjahr, so bietet auch das Osterfest seine eigenen Gnaden, die wir bei der
Festfeier annehmen können, denen wir uns aber auch durch mangelnde Bereitschaft
verschließen können. Die besondere Gnade des Osterfestes ist es, uns ein weiteres
Stück geistig auferstehen zu lassen. Mit jedem Ostern sollte eine neue Portion
göttlichen Lebens unsere Seele beleben, so, dass wir nach jedem Osterfest
geistig ein Stück lebendiger geworden, also ein Stückchen mehr geistig
auferstanden sind.
Für diese Gnade müssen
wir uns bereitmachen, und das ist der Sinn der Fastenzeit. Vor allem auf drei
verschiedene Weisen machen wir unsere Seele bereit für die Gnade des
Osterfestes.
Hindernisse wegräumen
Wir beseitigen die
Hindernisse, die dem nächsten Schritt unserer geistigen Auferstehung im Wege
stehen. Geistige Auferstehung bewirkt das genaue Gegenteil zur Sünde. Die Sünde
raubt das göttliche Leben, die geistige Auferstehung schenkt es uns. Deshalb
ist es passend, dass wir uns jedes Jahr auf diese Feier dadurch vorbereiten,
dass wir unsere Sünden durch Bußwerke tilgen.
Da Christus durch
seine leibliche Auferstehung in die himmlische Sphäre erhoben wurde und wir
durch unsere geistige Auferstehung in die übernatürliche Welt eingetreten sind,
ist es auch von größter Wichtigkeit, bei der Feier dieser Geheimnisse unsere
Seele in Andacht über das Weltliche zu erheben und auf die himmlischen Dinge
auszurichten. Darum wenden wir uns in der Fastenzeit ausdrücklich vom
Weltlichen ab und richten uns neu auf Christus aus, um uns so auf die Gnade
unserer geistigen Auferstehung vorzubereiten. Hierzu dienen die drei uralten
Übungen des Fastens, des Betens und des Almosengebens. Wer sich in der Nahrung
einschränkt, tut Buße für seine Sünden und wendet sich von den weltlichen Genüssen
ab, ebenso, wer Almosen gibt. Wer betet, erhebt seinen Geist zu den himmlischen
Dingen.
Die bisherige Gnade nutzen
Daneben gibt es noch
eine andere Weise, unsere Seele auf das Osterfest vorzubereiten, nämlich
bewusst aus der heiligmachenden Gnade zu leben. Menschen, die uns gerne eine
Gabe geben, werden dennoch nichts geben, wenn sie sehen, dass wir die früheren
Gaben nicht genutzt haben. Wer einem Studenten ein Stipendium gewährt hat, wird
ihm kein weiteres gewähren, wenn dieser die Zeit nicht zum Studium genutzt hat.
Wer gerne anderen ein Stück Kuchen schenkt, wird keines mehr schenken, wenn er
erfährt, dass das letzte noch nicht gegessen wurde. Bei Gott ist das so
ähnlich. Er wird uns keine weiteren Gnaden schenken, wenn wir die bisherigen
nicht genutzt haben.
Darum sollten wir uns
auf die Gnaden des Osterfestes dadurch vorbereiten, dass wir die uns schon
verliehene heiligmachende Gnade bewusst nutzen. Wie aber nutzt man die
heiligmachende Gnade ganz bewusst? Die heiligmachende Gnade ist Anteilnahme an
der Natur Gottes (2 Petr 1,4), Anteilnahme am Leben Gottes. Gott ist Geist, und
darum lebt er nicht dadurch, dass sein Herz schlägt und die Lunge atmet,
sondern er lebt dadurch, dass er erkennt und liebt. Anteilnahme am Leben Gottes
heißt also teilnehmen am Erkennen und Lieben Gottes. Wir nutzen also die
heiligmachende Gnade, wenn wir die Liebe zu Gott üben, denn dann nehmen wir
bewusst an der Liebe Gottes teil.
Vorbereitung auf
Ostern bedeutet also, die gewohnten Dinge mit mehr Liebe tun. Zur Liebe aber
gehört nach der Auskunft des hl. Thomas zweierlei: Das Wohlwollen und das
Sich-Verbunden-Fühlen (unio affectus). Erst wenn beides da ist, kann von
wirklicher Liebe die Rede sein. Eines allein reicht nicht. Das Wohlwollen
allein reicht nicht für die Liebe, denn wir können z.B. einer Partei den Sieg
wünschen, ohne sie zu schätzen, weil wir den Sieg einer anderen Partei
verhindern wollen. Dann wünschen wir der Partei zwar etwas Gutes, den Sieg,
wollen für sie also das Gute, aber mit Liebe hat das nichts zu tun, weil wir
uns mit ihr nicht verbunden fühlen. Auch das Sich-Verbunden-Fühlen allein
reicht nicht aus. So kann es geschehen, dass zwei Eheleute, die sich mit der
Zeit fremd geworden sind, sich noch verbunden fühlen, weil sie wissen: wir gehören
zusammen. Wenn sie aber kein Wohlwollen mehr zueinander haben, kann von Liebe
nicht die Rede sein.
Wenn wir also die
Gottesliebe üben wollen, um so die heiligmachende Gnade bewusst zu nutzen, dann
müssen wir Gott Wohlwollen entgegenbringen. Wir sollten uns also für seine Ehre
einsetzen, sein Lobsingen und beten, dass sein Wille geschehe, dass sein Reich
komme. Und wir sollten uns mit ihm verbunden fühlen. Wir sind ja auch tatsächlich
mit ihm verbunden durch die heiligmachende Gnade, das Leben Gottes in uns.
Daran sollten wir bei allem, was wir tun, immer wieder bewusst denken, und in
Verbundenheit mit Gott handeln. Wir können uns mit Gott auch deshalbverbunden
fühlen, weil wir zum mystischen Leib Christi gehören, seine Glieder sind und
der Gottessohn unser Haupt ist.
Bei unserer Arbeit
können wir daran denken, dass wir nicht alleine als bloße Menschen handeln,
sondern dass durch die heiligmachende Gnade Gott in uns lebt und mit uns
handelt. Was wir jeden Tag tun, ist durch die heiligmachende Gnade auf Gott
ausgerichtet. Viele Theologen sagen, dass unser Tun schon allein deshalb vor
Gott einen Wert hat, weil wir die heiligmachende Gnade in unserem Herzen
tragen. Auch wenn wir nicht bewusst an Gott denken, sind wir mit unserem Sein
und Tun durch die Gnade auf Gott ausgerichtet. Das zeigt, wie die
heiligmachende Gnade uns wirklich mit Gott verbindet. Viel verdienstlicher aber
handeln wir, wenn wir uns zusätzlich bewusst sagen, dass wir jetzt arbeiten, um
Gott unsere Liebe zu zeigen.
Uns mit dem Leiden Christi verbinden
Die dritte Weise, uns
auf die Gnaden des Osterfestes vorzubereiten, ist die bewusste Verbindung mit
dem Leiden Christi. Das Leiden Christi ist die Quelle unseres geistigen Lebens.
Wir können nur deshalb ein Stückchen vom Leben Gottes in unserer Seele tragen,
weil Christus uns dieses durch seinen Tod verdient hat. Es ist eine
grundlegende Überzeugung der Christenheit, dass wir nur dann etwas von dem
erhalten, was Christus uns durch sein Leiden verdient hat, wenn wir uns mit dem
Leiden Christi irgendwie verbinden. Wir müssen mit dem Leiden Christi irgendwie
verwachsen, damit wir dann auch mit seiner Auferstehung verwachsen sind (vgl.
Röm 6,5); erst wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm
auferstehen (vgl. Röm 6,8). Diese Verbindung mit dem Leiden Christi können wir
auf unterschiedliche Weise herstellen.
Durch den Glauben und die Betrachtung
Zuallererst durch den
Glauben. Wer unverbrüchlich daran festhält, dass Christus durch sein Leiden den
gegen uns gerichteten Schuldschein vernichtet hat, dass wir durch den Tod des
Gottessohnes mit Gott versöhnt wurden (vgl. Röm 5,10), dass er unsere Sünden an
seinem Leib auf das Holz hinaufgetragen hat, damit wir der Gerechtigkeit leben
(vgl. 1 Petr2,24); dass wir durch seine Wunden geheilt wurden (Is 53,6), dass
das Blut Jesu uns rein macht von allen unseren Sünden (1 Joh 1,8), der kann die
Früchte des Leidens Christi empfangen. Diesen Glauben können wir besonders
pflegen, wenn wir das Leiden Christi betrachten. Wenn wir den leidenden Herrn
vor unser geistiges Auge stellen, uns in sein Leiden hineindenken und mit ihm
mitleiden, dann verbinden wir uns mit seinem Leiden und machen uns bereit, auch
an dessen Früchten teilzuhaben.
Durch das Mitleiden mit Christus
Eine andere Weise,
sich mit dem leidenden Herrn zu verbinden, ist es, selbst etwas zu leiden. Beim
Fasten den Hunger zu ertragen, dient nicht nur dazu, Buße zu tun für die
Sünden, sondern ist auch bewusste Teilnahme am Leiden Christi. Der Herr leidet,
auch ich will mit ihm etwas leiden. Den Christen im Mittelalter war dieser
Gedanke präsent. Die einzige Mahlzeit an Fasttagen wurde im 13. Jahrhundert
erst um 15:00 Uhr eingenommen. Thomas begründet es damit, dass Christus bis
15:00 Uhr gelitten hat. Mit seinem Tode hat er ausgelitten. Darum wollten die
Christen auch bis 15:00 Uhr den Hunger leiden, um sich so mit dem leidenden
Herrn zu vereinen.
Die Christenheit war
überzeugt, dass wir uns mit dem Leiden Christi verbinden müssen, wenn wir von
seinen Früchten etwas erhalten wollen. Die Taufe verbindet uns symbolisch, aber
realmit dem Leiden Christi. Das Untertauchen –das heute durch das Übergießen
symbolisiert wird –ist ein zeichenhaftes Sterben und Begraben werden mit
Christus. Weil der Täufling sich so mit dem Leiden Christi vereinigt, darum
erhält er auch die Erlösung. Noch deutlicher wird dieser Gedanke bei der
Bluttaufe. Ein Ungetaufter, der um Christi willen den Martertod auf sich nimmt,
erhält die gleichen Gnaden, als hätte er das Sakrament der Taufe empfangen.
Denn er hat sich ja nicht nur symbolisch mit dem Leiden Christi verbunden,
sondern durch wirkliches Leiden und Sterben. Hier wird klar, wie die
Christenheit überzeugt war, dass das Mitleiden mit Christus uns auch die
Früchte seines Leidens schenkt. Wer sich also in der Fastenzeit selbst einen
Verzicht auferlegt oder die Schwierigkeiten des Alltags bewusst trägt, um sich
so mit dem leidenden Herrn zu vereinigen, der macht sich bereit, an Ostern ein
gutes Stück mehrgeistig aufzuerstehen.
Durch die Mitfeier der hl. Messe
Noch auf eine dritte
Weise können wir uns mit dem Leiden Christi verbinden: durch die Teilnahme an
der hl. Messe. Die heilige Messe setzt das Opfer Christi gegenwärtig. „Sooft
ihr dieses Brot esst und von diesem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des
Herrn.“ (1 Kor 11,26) Im Sakrament der hl. Eucharistie wird zeichenhaft gesagt,
was das Leiden Christi für uns bedeutet. Es ist Opfer und Nahrung unserer
Seelen. In der hl. Eucharistie ist der Leib und das Blut Christi gegenwärtig
und zwar unter unterschiedlichen Gestalten. Unter dem Aussehen des Brotes ist
der Leib Christi gegenwärtig; was wie Wein aussieht, ist das Blut Christi. So
sagen es die Wandlungsworte: Das ist mein Leib, das ist der Kelch meines
Blutes.
Dass Leib und Blut voneinander getrennt sind, ist der typische Zustand des Geopfert-Seins. Wenn ein Lamm im Tempel geopfert wurde, dann wurde es geschächtet und sein Blut wurde aufgefangen. Leib und Blut des Lammes wurden getrennt. In diesem Zustand des Geopfert-Seins ist Christus in der hl. Eucharistie gegenwärtig. Und so ist sein Opfer gegenwärtig. Am Kreuz war er in einem ganz ähnlichen Zustand: Sein Leib hing am Kreuz und das meiste Blut hatte er vergossen. So setzt die hl. Messe das Opfer Christi gegenwärtig, und dieses Opfer ist die Quelle des göttlichen Lebens in unseren Seelen. Wäre Christus nicht für uns gestorben, hätten wir kein göttliches Leben in uns. Sein Opfertod ist das, was uns geistig lebendig macht und am Leben hält. Das wird in der hl. Eucharistie dadurch ausgedrückt, dass Christi Leib und Blut unter den Gestalten von Brot und Wein gegenwärtig werden. Unter Gestalten also, die Nahrung sind. Wie die leibliche Nahrung uns dem Leibe nach am Leben erhält, so erhält die hl. Eucharistie unser geistliches Leben, unser Gnadenleben. Es verbindet uns also nichts so eng mit dem Opfer Christi als die Mitfeier der hl. Messe und die andächtige hl. Kommunion.
In der hl. Messe
können wir unsere Mühen und Plagen mit dem Opfer Christi verbinden. Christus
hat am Kreuz sein Leben seinem Vater geschenkt, und zwar aus Liebe und
Gehorsam. Das ist das größtmögliche Geschenk, das ein Mensch Gott darbringen
konnte. An dieses große Geschenk können wir unsere kleinen Geschenke anhängen.
Mal angenommen, wir sind zu einem Geburtstag eingeladen und haben kein Geschenk
dabei. Auf dem Weg zur Feier treffen wir unseren Freund, der ein großes
Geschenk mitbringt. In unserer Verlegenheit fragen wir ihn, ob wir nicht das
kleine Blümchen, das wir gerade am Wegrand gepflückt haben, an sein großes
Paket anstecken und dann sagen dürfen: Dieses Geschenk ist von uns beiden.
Genau so können wir es in der heiligen Messe machen. Wir stecken unsere kleinen
Mühen und Verzichte an das große Geschenk, das Christus seinem Vater darbringt
und sagen dann zum Vater: Das ist von uns beiden. So verbinden wir uns mit dem
Opfer Christi und werden bereit, auch seine Früchte zu erhalten.
Wenn
wir auf diese Weise die Fastenzeit nutzen, um uns auf Ostern vorzubereiten,
dann werden wir am Auferstehungsmorgenwirklich ein Stück weit mehr auferstehen,
eine innigere Anteilnahme am göttlichen Leben erhalten und so in unserem
geistigen Leben eine Stufe aufsteigen.
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