Neben den sieben Gaben gibt es auch noch zwölf Früchte
des Hl. Geistes. Paulus schreibt: „Die Frucht des [Hl.] Geistes aber ist:
Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde (Freundlichkeit), Güte, Treue (Glaube),
Sanftmut (Mäßigkeit), Enthaltsamkeit (Keuschheit)“ (Gal. 5, 22, 23). Nach
Paulus stehen diese im Gegensatz zu den Werken des Fleisches (Gal. 5, 19 – 21).
Diese neun Früchte wurden im Laufe der Zeit zu zwölf Früchten ergänzt. So heißt
es heute im KKK 1832: „Die Früchte des
Geistes sind Vollkommenheiten, die der Heilige Geist in uns als die
Erstlingsfrüchte der ewigen Herrlichkeit hervorbringt. Die Überlieferung der
Kirche zählt deren zwölf auf: „Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit,
Güte, Langmut, Sanftmut, treue, Bescheidenheit, Enthaltsamkeit, Keuschheit.“
Die Tradition erweiterte also die paulinische Liste. Nach Thomas von Aquin (um
1225 – 1274) bewirken diese Früchte eine delectatio (Lust), die dem Christen
die Gewissheit gibt, auf der via perfectionis zu sein. Petrus Canisius (1521 –
1597) schreibt in seinem Katechismus, dass die Gaben des Hl. Geistes die guten
Bäume sind, gepflanzt auf dem Acker der Kirche, auf denen die Früchte des Hl.
Geistes wachsen. Canisius erinnert in diesem Zusammenhang an Bibelwort: „An ihren Früchten [des Hl. Geistes] sollt
ihr sie erkennen“ (Mt. 7, 20).
Der Augsburger Barockmaler und Kupferstecher
Johann Georg Bergmüller (1685 – 1762 entwarf, stach und brachte nach 1739 im Eigenvertrag
die siebenblättrige Kupferstichserie „Die 12 Tugenden oder Früchte des Hl.
Geistes“ heraus. Die Serie beginnt mit diesem Titelblatt. In der Mitte oben
erkennt man vor einem Kreis, in welchem ein gleichseitiges Dreieck
eingeschrieben ist, die Hl.-Geist-Taube. Hier ist der Kreis Symbol der
Unendlichkeit Gottes, da er keinen Anfang und kein Ende hat. Das gleichseitige
Dreieck ist Zeichen für die Dreifaltigkeit.
Das Eingeschriebensein bedeutet: „Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Zum
Symbol für Gott geht ein Strahlenkranz aus. Seitlich verschwinden diese hellen
Strahlen hinter dunklen Wolken. Dieser Hell-Dunkel-Kontrast gibt dem oberen
Stichteil Tiefe und hebt das göttliche Zentrum hervor. Zwischen den Strahlen,
die nach unten scheinen, sieht man paarweise angeordnet, zwölf Feuerzungen. In
der Bibel heißt es beim Pfingstereignis: „Und plötzlich geschah aus dem Himmel
ein Brausen … Und es erschienen ihnen zerteilte Zungen wie von Feuer, und sie
setzten sich auf jeden einzelnen von ihnen. Und sie wurden alle mit Heiligem
Geiste erfüllt ...“ (Apg. 2,2–4). Mit dieser Symbolik will der Kupferstecher
wohl zweierlei ausdrücken: Auch die oben genannten Früchte gehen, wie die
Gaben, vom Heiligen Geist aus. Die zwölf Feuerzungen könnten die weitere
Bedeutung haben, dass sich der Hl. Geist an Pfingsten besonders auf die zwölf
Apostel niederließ. Auf einem drapierten Vorhang sind die „Tugenden“ bzw.
„Früchte“ aufgeschrieben und zwar auf Latein und auf Deutsch. Der Titel auf
Latein lautet: „XII Virtutes Spiritu Sancti Galat: V. 22, 23“. Damit wird die gebildete
Geistlichkeit mit Lateinkenntnissen angesprochen. Deshalb steht hier auch der
Hinweis, dass ich die „Tugenden des Hl. Geistes“ von Paulus herleiten. Der
Titel auf Deutsch lautet: „Die 12 Tugenden od: Früchten des Hl. Geistes in 6
blat vorgestellet“. Auf Deutsch wendet sich der Verleger hauptsächlich an mehr
oder weniger gebildete Maler. Diesen meist hervorragenden Künstlern fehlten oft
die Kenntnisse von Symbolen, um abstrakte Begriffe darzustellen. Sie waren
deshalb eine wichtige Käuferschicht für
solche Stichserien. Hier erfahren sie nun gleich auf dem Titelblatt, um was es
sich bei dieser Serie handelt. Deshalb steht unten auch die Bezugsquelle dieser
Serie („in Verlag alda“) und dass der Entwerfer und Stecher dieser Serie
bedeutend ist („Hochfürstl. Cabinet- und Hof-Mahler“) AE
Quelle: Der Fels – Dezember 2015, S. 352
Redaktion: Eichendroffstr. 17, D-86916 Kaufering
HubertGindert@der-fels.de
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