07.08.2018

Ein Ruhmestitel der katholischen Kirche



Es wird immer ein Ruhmestitel der katholischen Kirche bleiben, dass sie an dem göttlichen Grundsatz der Unauflösbarkeit der gültig geschlossenen und vollzogenen Ehe unter Getauften niemals hat rütteln lassen. 
Unbeugsamen Mutes hat sie dieses Gottesgebot auch den Großen und Mächtigen dieser Erde gegenüber verteidigt. Zu allen Jahrhunderten! Die Tatsachen sollen sprechen!
König Lothar II. von Lothringen begehrte die Auflösung seiner Ehe mit Theutberga, um die Mätresse Waldroda heiraten zu können. Papst Nikolaus I. (858-867) widersetzte sich diesem Verlangen und ließ sich auch nicht durch die gegen ihn ins Feld geführte Waffengewalt einschüchtern. Sein Nachfolger, Papst Hadrian II. (867-872) beharrte auf demselben Standpunkt.
König Philipp I. von Frankreich (1060-1108) wurde zweimal vom Papste mit der Exkommunikation belegt, weil er seine rechtmäßige Gattin Bertha verstoßen und Bertroda, die Frau des Grafen Fulco von Anjou, widerrechtlich geheiratet hatte.
Der kraftvolle Papst Innozenz III. (1198-1216) belegte den König Philipp August von Frankreich mit Bann und verhängte über Frankreich das Interdikt, weil dieser seine rechtmäßige Gemahlin Ingeborg verstoßen und eine unerlaubte Verbindung mit Agnes von Meran eingegangen hatte. Derselbe Papst schützte die Unauflöslichkeit der Ehe gegen König Alfons IX. von Leon.
Papst Clemens VII.
Vom Dämon der Sinnlichkeit gefangengenommen — sechs Frauen hintereinander „ehelichte“ der grausame König, von denen er zwei aufs Schafott schickte! —, verlangte Heinrich VIII. von England vom Papst die Scheidung seiner rechtmäßigen Ehe mit Katharina von Aragonien, um das Hoffräulein Anna Boleyn heiraten zu können. Der 23. März 1534 ist der ewig denkwürdige Tag, an dem Papst Klemens VII. dem Ehebrecher auf dem Königsthron das freimütige „Es ist dir nicht erlaubt!“ entgegenrief. Blutenden Herzens mußte der Apostolische Stuhl es mit ansehen, wie durch diese grundsätzliche Festigkeit der englische König Veranlassung nahm, ganz England für Jahrhunderte von der katholischen Mutterkirche loszureißen. Aber der Stellvertreter Christi konnte nicht gegen sein Gewissen handeln, und die wahre Sittlichkeit baut sich nicht auf Nützlichkeitserwägungen, sondern auf den ewigen Gesetzen des allmächtigen Gottes auf.
Auch die Geschichte der Familie des Franzosenkaisers Napoleon I. sieht zweimal den Papst auf treuer Wacht gegenüber despotischen Ehebegehren. So verlangte Napoleon Bonaparte, dass die Ehe seines Bruders Jérome, die dieser mit der protestantischen Miss Patterson 1803 in Nordamerika gültig geschlossen hatte, vom Papste aufgelöst werde. Papst Pius VII. (1800-1823) weigerte sich standhaft, diesem Verlangen nachzukommen; er mußte seine Grundsatztreue und seinen Widerstand gegen noch weitere Willkürakte des gewalttätigen Korsen damit bezahlen, dass Napoleon ihn in der Nacht vom 5. auf 6. Juli 1809 im Quirinal verhaften und nahezu fünf Jahre lang in Frankreich als Gefangenen herumschleppen ließ. Just um dieselbe Zeit trug sich Napoleon mit dem Gedanken, sich von seiner eigenen rechtmäßigen Gattin, der Witwe Beauharnais, geborene Josefine Tascher, scheiden zu lassen, um eine neue Ehe mit der Erzherzogin Maria Luise von Österreich eingehen zu können, die ihm einen Thronerben schenken sollte. Da er nicht hoffen konnte, bei dem Papste für sein Begehren williges Gehör zu finden, wandte er sich an das Pariser Metropolitangericht; dieses, eingeschüchtert durch den kaiserlichen Herrscher, zeigte sich als gefügiges Werkzeug und sprach die Ungültigkeitserklärung der ersten Ehe aus. Aber sein Urteil war null und nichtig, da nach kirchlichem Rechte die Entscheidung über Eheangelegenheiten fürstlicher und regierender Persönlichkeiten einzig und allein dem Papste zusteht. Gerade hier zeigte sich mit aller Deutlichkeit die Berechtigung und tiefe Weisheit der kirchenrechtlichen Sonderbestimmung: Wenn regierende Persönlichkeiten ihren ausschließlichen Gerichtsstand beim Papste haben, dann ist das wohl eine auszeichnende Ehrung dieser Persönlichkeiten, aber ebenso gut auch ein mächtiger Schutz gegen alle Versuche zur Verfälschung und Umbiegung des Rechtes; denn der souveräne Apostolische Stuhl ist viel besser gegen physischen und moralischen Druck und Zwang gesichert als die Mitglieder eines geistlichen Gerichtes, die doch auch gleichzeitig Untertanen des Klage erhebenden Herrschers sind. Am 2. April 1810 ließ sich Napoleon zu seiner neuen Ehe den Segen geben, der — unerlaubt und ungültig — von der schwachen Pariser Kurie gewährt wurde. Gewiß ist es sehr bedauerlich, wenn die Pariser kirchliche Behörde — wenn auch aus leicht erratbaren Gründen — zu dieser Nachgiebigkeit und zu feigem Zurückweichen vor weltlichen Drohungen sich herabgelassen hat; aber es wird deshalb doch keinem vernünftigen Menschen einfallen, diesen Fehler dem Papste oder der ganzen Kirche zur Last legen zu wollen. 13 Kardinäle, die zur Trauung eingeladen waren, weigerten sich zu erscheinen, um sich nicht an einer offenbaren sündhaften Ungerechtigkeit mitschuldig zu machen. Sie traf der besondere Zorn des Franzosenkaisers: Sie mußten den Kardinalspurpur ablegen — man sprach von ihnen in der Folgezeit als von den „schwarzen Kardinälen“ —, Paris verlassen, auf ihr Einkommen Verzicht leisten und wurden zu je zweien in verschiedene Städte Frankreichs verwiesen.
Als Papst Pius VII. am 24. Mai 1814 wieder seinen feierlichen Einzug in Rom hielt, stellte ihm sein Gewissen das ehrenvolle Zeugnis aus, dass er auch der Tyrannei Napoleons gegenüber nichts preisgegeben hatte von den Ehegesetzen der Kirche —
sein Ehrenschild war blank und rein geblieben!

Alphons Maria Rathgeber „Kirche und Leben“ „in Buch von der Schönheit und Segenskraft der Kirche. Verlag Albert Pröpster, Kempten im Allgäu 1956. S. 147-149

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