„Ist doch“, rufen
sie vermessen,
„nichts im Werke,
nichts getan.“
Und das Grosse
reift indessen
still heran.
(Ernst von Feuchtersleben]
Erst in der Stille können wir zu unserem Ich vordringen.
Der Lärm und die Hetze der Welt wollen uns daran hindern. In der japanischen
Tempelstadt Nikko sind drei Affen zu sehen, die sich Augen, Ohren und Mund
zuhalten: Sie wollen uns bedeuten, dass wir nichts Unangenehmes sehen, hören
und reden sollen. Gott hat uns zwei Ohren geschenkt und nur einen Mund — um
mehr zu hören als zu reden. Nur wenn wir uns in stiller Sammlung, in
Beschaulichkeit und Innerlichkeit auf uns selbst besinnen, gewinnen wir unser
Ich. So sagt Gott dem Propheten Isaias (30,15): „Durch Umkehr und Stillesein
sollt ihr gerettet werden, im Schweigen und Vertrauen soll euch Kraft werden.“ Der heilige Paulus mahnt: „Vermeide unheiliges, leeres Gerede!“ (2 Tim 2,16).
Die stillen Leben aber sind wie Steine; sie wachsen in der Tiefe, und niemand
weiß von ihnen. Aber einmal werden die großen Dome aus ihnen gebaut. Man kann
nur dann sich selbst und den andern Hilfe bringen, wenn man zuvor sich selbst
in der Einsamkeit und im Schweigen gefunden hat. Gerade in der Hast und Hetze
unserer Zeit müssen wir Minuten, ja Stunden für die innerliche Sammlung finden.
Wie Ambossruhn auf Hammerschlag,
Wie
Räderstehn am Mühlenstein,
einmal muss Stille in dir sein!
Einmal muss Stille in dir sein,
einmal kehr bei dir selber ein.
„In der Stille wird dem Geiste rechte Geistesoffenbarung»
sagt F. W. Weber in «Dreizehnlinden.“
Im Schweigen des Alleinseins wird uns oft größte
Offenbarung zuteil. Die Dichterin Paula von Peradovic sagt in ihrem Gedicht „Schweigen“:
„Was
du beredest, muss vergehen,
was
du verschweigst, wird nie vergeh'n.“
Das wahrhaft Große und Bedeutungsvolle kommt mit leisen
Schritten; man muss zuvor ganz still geworden sein, um es vernehmen zu können.
Wer fruchtbringend arbeiten will, braucht zuvor betrachtende Stille.
„Immer
ist es der Schweigende,
der
das Wort sät in die Welt.
Immer
ist es der sich Neigende,
der
zuletzt als Sieger Einzug hält.
Allen
laut und hastig Strebenden
baut
ein tiefes Grab die Zeit.
Nur
dem still und einsam Lebenden
blüht
die hohe Ewigkeit.»
Alfons Petzold,
österreichischer Arbeiterdichter
(1882-1923)
Nirgendwo ist der Mensch sich so entfremdet wie in der
Masse. Bevor sich Menschen ver-sammeln, sollten sie sich in sich selbst
sammeln; bevor sie sich entfalten, sollten sie sich zuerst in stiller heiliger
Einfalt finden. Nur dann können wir den Mitmenschen etwas bedeuten. Hier gilt
das Wort Jesu: „Wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut“ (Mt 12,30).
Im 3.
Buch der Könige (19,11 ff.) wird uns berichtet, dass der Prophet Elias von Gott
die Weisung erhielt, sein Kommen auf einem Berge zu erwarten. Dort erhob sich
ein heftiger Sturm, der die Felsen spaltete, aber der Herr war nicht in ihm.
Hernach entstand ein gewaltiges Erdbeben, aber der Herr war nicht in ihm.
Hierauf kam ein Feuer, aber auch in ihm war nicht der Herr. Endlich wehte ein
leises, sanftes Säuseln. Da spürte Elias, dass Gott zu ihm kam. — Der Einsame,
in sich Gesammelte ist viel mehr imstande, die leisen Stimmen der Dinge, der
Menschen und die Stimme Gottes zu hören.
Quelle:
Alois Meder, “Einsamkeit als Gnade”. Christiana-Verlag, 1986
Bild: Kunstverlag Benedikt Rast, Fribourg
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