02.02.2018

„Meine Augen haben Dein Heil gesehen“



Heute wird uns die stillschweigende Tat der göttlichen Vorsehung in Erinnerung gerufen. Seit langem vorgesehene Ereignisse fügen sich ruhig in den Zeitenlauf ein; gleichzeitig aber bleiben die Besuche des Herrn unvorhergesehen und geheimnisvoll. Betrachtet, was sich hier ereignet […] 

In dieser Szene gibt es natürlich nichts Außergewöhnliches und nichts Beeindruckendes; in der Welt werden Leute wie die Eltern dieses Kindes, so arm wie sie sind, und die beiden Greise kaum beachtet — man geht weiter. Nichtsdestotrotz findet hier eine alte und wunderbare Prophezeiung ihre feierliche Erfüllung. Das Kind, das man auf den Armen trägt, ist der Erlöser der Welt, der wahrhaftige Erbe, der als Unbekannter kommt und sein eigenes Haus besucht. Der Prophet hatte gesagt: „Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht [...] Doch wer erträgt den Tag, an dem er kommt?“ (Mal 3,1.2); und jetzt kommt er, um es in Besitz zu nehmen. Mehr noch: der greise Simeon wird mit den Gaben des Geistes erfüllt [...]: Freude, Danksagung, Hoffnung, geheimnisvoll mit Furcht, Schauder und Schmerz vermischt. Auch Hanna wird zur Prophetin [...], und diese Zeugen, an die sie sich wendet, sind das wahre Israel, das glaubend die Erlösung der Welt erwartet nach den Verheißungen […] „Die künftige Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die frühere […]“ (Hag 2,9). Jetzt ist sie da, diese Herrlichkeit: ein kleines Kind mit seinen Eltern, zwei Greise und versammelte Menschen ohne Namen, deren Anwesenheit keine Folgen hat. „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Zeichen erkennen könnte […]“ (Lk 17,20). 

So hat sich Gott immer bei seinem Erscheinen kundgetan […]: das Schweigen, das plötzliche Kommen, die Überraschung für die Welt, aller bekannten Voraussagen zum Trotz, die allen bekannt sind, deren Sinn die wahrhaftige Kirche erfasst und deren Erfüllung sie erwartet […] Es kann auch nicht anders sein. Die Ankündigungen Gottes sind eindeutig, doch die Welt läuft weiter; in ihre Beschäftigungen vertieft, können die Menschen den Sinn der Geschichte nicht erkennen [...] In jeder Epoche bleibt die Welt blind, doch die verborgene Vorsehung Gottes wird Tag um Tag mehr Wirklichkeit. 

Sel. John Henry Newman (1801-1890), Theologe und Kardinal, Gründer der Oratorianergemeinschaft in England 
Predigt „Secrecy and Suddenness of Divine Visitations“ PPS t. 2, n° 10 


 "Evangelium Tag für Tag" 

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