Liebe ohne Opfer?
Die Wohlstandsgesellschaft von heute ist weitgehend unfähig geworden
zum Opfer; aber gerade dadurch wird sie unfähig zur Liebe. Zum Wesen der Liebe
gehört nämlich das Opfer; mindestens solange wir in dieser noch nicht erlösten
Welt leben.
Das Wort „Opfer“ stammt aus dem
Lateinischen; es bedeutet „Hingabe“. Darin besteht aber das Wesen der Liebe,
dass wir uns an den anderen „hingeben“ und dadurch zur Gemeinschaft mit ihm
finden. Liebe und Opfer besagen also im wesentlichen dasselbe.
Das „Opfer“ Gottes
Selbst für Gott war seine Hingabe an uns Menschen schmerzlich; seine
Liebe wurde daher zum „Opfer“. Er liebte uns Menschen so sehr, dass er zu uns
kam, obwohl er wusste, wie es ihm bei den Menschen ergehen würde: Sie werden
ihn misshandeln, anspeien, schlagen, geisseln, verhören und schließlich ans
Kreuz schlagen: „Die Seinen nahmen ihn nicht auf.“
Unser Opfer an Gott
Aber auch uns heutigen Menschen fällt die Hingabe an Gott schwer. Auch uns wird diese Liebe zu Gott
schmerzlich. Jede echte Unterwerfung unter Gott fordert ja viel von uns: die
Beherrschung unserer Leidenschaften, die Überwindung all der inneren Trägheit
zum Guten. Mit einem Wort: Der egoistische Mensch in uns muss „sterben“. Dieser
ständige Kampf zwischen dem selbstherrlichen Egoisten in uns und dem Gott
gehorsamen Menschen ist wahrlich das härteste „Opfer“, das wir zu bringen
haben. An diesem Kampf, an diesem Opfer, an dieser Selbstbeherrschung und
Selbstüberwindung liest Gott wahrlich das Maß unserer Liebe und Hingabe an ihn
ab. - Zum Wesen der Hingabe an Gott gehört das „Opfer“. Wer es verweigert oder
aus seinem Leben ausschalten will, wird nie zur wahren Hingabe an Gott
gelangen.
Unser Opfer an die Menschen
Ebenso schmerzlich ist für uns die Hingabe an die Menschen. Auch diese
Liebe wird mit innerer Notwendigkeit zum „Opfer“. Erstens verlangt jede Hingabe
an Menschen von uns eine Preisgabe des eigenen Egoismus: Menschen kosten uns
Zeit, Geld usw. Zweitens fordert jede Gemeinschaft mit anderen Menschen von uns
viel Geduld. Denn alle Menschen haben auch schlechte Eigenschaften: sie reizen
uns zum Zorn, nörgeln an uns herum, kritisieren; sie brauchen etwas von uns und
sind dann doch undankbar; sie sind oft unehrlich, feil und Verräter . . . Es
braucht viel Selbstbeherrschung, Rücksicht und Selbstüberwindung, die Menschen
trotz ihrer schlechten Eigenschaften zu lieben. Nur wer zum Opfer bereit ist,
kann die Menschen lieben: „Liebt eure Feinde“.
Freiwillige Opfer
Gott legt uns manches Kreuz auf und fragt uns nicht, ob wir es wollen
oder nicht: Leid, Mißerfolge, Sorgen, Verleumdungen, menschliches Versagen, den
Kampf gegen die Versuchungen, den Kampf gegen den eigenen Egoismus usw. Hier
erwartet Gott, dass wir diese Opfer treu und in Geduld tragen und ertragen. Er
erwartet, dass wir auf seine Vatergüte und auf die Erzieherweisheit Gottes
vertrauen.
Aber die Bibel spricht auch von freiwilligen
Opfern, die sie uns Christen
anrät. Diese freiwilligen Opfer sollen Ausdruck unserer Liebe sein: oder auch
Training, Übung unserer Hingabe an Gott. Die Bibel spricht hier vor allem vom
Beten, „Fasten“ und „Almosengeben“.
Das Gebet ist ohne zweifel Ausdruck der Liebe zu Gott; aber es kostet
meist doch Überwindung, Freizeit und Mühe und ist daher unter diesen Umständen
echtes „Opfer“, schmerzlich gewordene Liebe zu Gott.
Unter „Fasten“ versteht die
Bibel den Verzicht auf Dinge, die uns Freude bereiten können. Christus
ermuntert uns zum gelegentlichen freiwilligen Verzicht, zum „Fasten“.Dieses
freiwillige Fasten macht uns nämlich stark gegen alle Versuchungen der Welt;
wir werden dann ihrem verlockenden Vergnügungsangebot besser widerstehen können.
Es ist also ein sinnvolles Opfer, gelegentlich freiwillig zu verzichten
auf Vergnügungen, Fernsehen, Kino, Tanz, Zeitung, Essen oder Trinken,
Unterhaltung oder Geselligkeit und dergleichen mehr. Dadurch werden wir es
lernen, uns zu beherrschen und unseren Trieben nicht blindlings hörig zu
werden. Dann werden wir besser imstande sein, den Wünschen Gottes zu gehorchen.
Das freiwillige „Fasten“ ist ein tiefreligiöser Ausdruck echter Hingabe an
Gott; allerdings eine schmerzliche Hingabe, ein „Opfer“.
Liebst Du Gott?
Ohne Opfer gibt es keine Liebe in dieser Welt. Je mehr Du Dich zum
Opfer bereit findest, um so mehr wächst die Liebe in Dir. Jedes Opfer, das Dir
gelungen ist, hat Deine Liebe gestärkt. Die Größe Deines Opfers ist zugleich
die Größe Deiner Liebe.
Hast Du zu den wesentliche Opfern, die Gott uns nie abnimmt, schon Dein
Ja gesagt? Dein Ja zur Unterwerfung unter Gott, zum Gehorsam gegen Gott? Zur
Beherrschung Deiner Leidenschaften? Zur Überwindung Deines Egoismus? Ohne Opfer an Gott gibt es keine Hingabe
an ihn, keine Gemeinschaft mit ihm, kein Interesse für ihn; keine Zeit für
Gott, kein Gebet, keine Liebe. Ob Du Gott liebst? Deine Bereitschaft zum Opfer
wird es erweisen.
Quelle: Die 10 Gebote Gottes – Dr. Herbert Madinger – Auflage 1992 –
Erzdiözese Wien – Katholische Glaubensinformation
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