Das Ewige Lied – Gott schreibt Gedichte
Der Ebro durchfließt Lodosa (Navarra) |
Nachdem ich das sehr breite und weiträumige Flusstal des Ebro
durchquert habe, bricht wie ein Naturereignis der Fluss aus steilen Felswänden
hervor. Ich begleite seine Ufer schon seit einer Stunde.
Die Wasser strömen in urewigen Lauf dahin. Sie zischen auf vor den
Felsen, bilden Kreise, stieben widerwillig zurück, suchen neue Wege, um sich
Bahn zu brechen. Tosend stürzen sie nach unten, einander überspringend. In
Regenbogenfarben sprühen sie auseinander, um zurückzufallen in ihr wogendes
Bett. Silbern schießen sie hervor, aus den Bogen der Felsen, und silbern
verlieren sie sich in der Ferne. Steil auftürmendes Gestein ist ihr Saum. An
ihnen vorbei ziehen die Straßen, über sie hin spannen sich die Brücken der
Menschen, oft uralte Bogen aus steinigen Quadern, gefügt von Männern, über
deren Leben wir nur noch in vergilbten Bögen aus Ziegenhaut Spärliches lesen.
Vergangene Zeiten stehe vor unseren Augen.
Der Ebro in Saragoza |
Gott schreibt auch Gedichte. Aber seine Gedichte sind Originale, in
ihrer wunderbarer Schönheit einmalig. Der göttliche Musikmeister hat die
wundervollsten Sinfonien geschrieben. Er schenkt eine Musik von zierlichen
Takten, von überschäumenden Melodien, von erschreckender Fülle. — Ein Blitz,
der in der Nacht weißglühend den Himmel überzuckt, die Wucht des rollenden
Donners; oder die brandenden Wogen vieler Wasser berühren unser Herz und lassen
es erklingen; oder uns erfüllen die glutenden Farben eines Morgenhimmels mit
Staunen, das Locken der Vögel; oder das ständig wiederholende Zirpen der
Grillen, die im aushauchenden Abend ihre Lieder singen, vom Silberschein des
Mondes begleitet.
Sehen wir die göttlichen Werke noch? Oder sind seine Wunder für den
modernen Menschen nur wie Nebelschatten, wenn er mit seinen schnellen Autos an
ihnen vorüberrast? — Haben wir noch Zeit, die Natur zu durchwandern, ihre
Schönheiten von Angesicht zu Angesicht zu erleben, obwohl diese Anstrengung die
Überwindung der Trägheit fordert? — Vermögen wir es noch, uns auf einen Stein
zu setzen und nur zu schauen, zeitlos zu schauen, die Augen in den kreisenden
Flug eines Adlers zu versenken und darin zu verweilen, ohne zur Uhr zu schauen? — Hören wir noch die vielfältigen Stimmen der Lebewesen, die uns umgeben? — Und
hören wir sie nicht nur, sondern können ihnen auch noch zuhören? Lange, lange
Zeit nur „zuhören“?
Der moderne Mensch hat seine Naturerlebnisse vor dem Fernseher zu
absolvieren, und zugleich bekommt er Kommentar und Musik geliefert. Es braucht
keine eigene Anstrengung. Vielleicht manchmal interessant. Aber diese
Pseudoerlebnisse sind Duplikate und bleiben Duplikate. Solche Naturerlebnisse
vor dem TV sind Sensationen und Unterhaltung oder eine Art wissen. Es regt an
und regt auf. Aber die WAHRE Berührung mit den Dingen und
den Lebewesen der Schöpfung von Haut zu Haut, von Atem zu Atem, von Ohr zu Ohr,
von Auge zu Auge — diese wahre Berührung kann der Fernseher nicht vermitteln. Sein
Kasten ist nicht die Wirklichkeit. Wird dies verwechselt, kommt es
leicht zu Täuschungen, und diese setzen den Ahnungslosen gefährlichsten
Manipulationen aus. Wenn aber ein Mensch sich zu Fuß auf den Weg macht und die
Schöpfung durchkämmt, vermittelt ihm
dies eine echte Erfahrung der Wirklichkeit, die ihm nicht ausgeredet werden kann.
Dann werden Manipulationen gegenstandslos.
Daraus erwächst ihm Weisheit, Einsicht und Wahrheit, sofern er sich
dafür öffnet. Auf diese Art und Weise könnte der moderne Mensch einer
Scheinwelt entgehen, damit er sich dem Ursprünglichen der Schöpfung nahen kann.
Das heißt aber nicht, dass wir die kommunikative Bedeutung des Fernsehens generell schmälern wollen.
Herr, ewiger Gott! Erwecke immer von Neuem mein Herz zu einem frohen
Danklied, so wie ich es singe, jetzt, am Ebro entlang.
Ihr rauschenden Wogen, lobet den Herrn!
Du ewiges Spiel der Wasser, lobe den Herrn!
Preiset den Herrn, aufblitzende Wellen!
Du brausendes Tosen, singe dem Herrn!
All ihr dahin stürmenden Wasser, lobsinget
ihm!
Gebt IHM Lobpreis und Ehre!
Quelle: Pilgerfahrt nach Fatima – 1967 – P. Otto Maier – Reisebericht –
Erlebnisse – Gespräche – Überlegungen
Bild oben: https://morenopenasco.blogspot.com/2014/02/rio-ebro-su-paso-por-lodosa-navarra.html
Bild Mitte: Lucia Laposa in https://www.minube.com/fotos/rincon/10807
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