26.08.2017

Die christliche Ehe ist unauflöslich 3.

Opfergabe am Tag nach der Hochzeit, 1885
Jean Eugene Buland (1851-1927)
Musée des Beaux Arts, Caen, Frankreich/ Giraudon / The Bridgeman Art Library
Die Stimme Gottes und der Kirche ist auch die Stimme der Natur. Der Vollzug der Ehe verlangt tiefste persönliche Gemeinschaft, innigste persönliche Besitzergreifung, höchstes Vertrauen in der wechselseitigen Hingabe, den heiligen Willen, Kinder in gemeinsamer Arbeit zu körperlicher und geistiger Reife heranzubilden. Diese vertrauensvollste Hingabe verlangt ihrem Wesen nach eine unauflösliche, ausschließliche Lebens und Liebesgemeinschaft. Wenn schon die gewöhnliche Freundschaft Stetigkeit verlangt, dann muss die Gattenliebe, die die ganze Persönlichkeit des anderen Teiles umfasst und durchdringt, erst recht einen Gedanken an die Möglichkeit ausschließen, über Jahr und Tag verschmäht zu werden. Die Möglichkeit einer Ehescheidung müsste das gegenseitige Vertrauen untergraben statt es zu festigen. Sie müsste Zurückhaltung und Bitterkeit und Misstrauen ins Herz senken und die Widerstandskraft und Ausdauer im Unglück schwächen. Das eheliche Leben würde mit der Zeit unerträglich, jeder Zwist müsste die Kluft erweitern. Die harmloseste Geselligkeit würde die Eifersucht erregen. Die Aussicht einer möglichen Trennung und neuen Verbindung würde den Verführer ermutigen und den guten Willen der Verführten lähmen. Der Gedanke: Das Tor steht immer offen, würde sich wie eine Scheidewand zwischen die Gatten schieben. Statt in heiliger, starker Liebe alles miteinander zu tragen und zu teilen, Freud und Leid, würden sie bei schweren Heimsuchungen allzu leicht über die Grenzpfähle ihrer Ehe hinausschielen und nach fremdem Glück begehren.
Die Unauflöslichkeit ist der beste Schutz des Weibes als des schwächeren Teiles der Ehe in seiner Selbsthingabe, in seiner Geschlechtsehre und in seiner sozialen Versorgung. Die Frau, die am Hochzeitstage das Haus des Mannes betritt, tut das in der Meinung, dass sie dort volles, gleiches Heimatrecht mit dem Mann hat. Sollte sie jemals von dort wieder verstoßen werden dürfen, wo sie das Beste, was sie hat, geopfert hat?
Die Unauflöslichkeit ist die sicherste Bürgschaft für die volle Erziehung der Kinder. Das Kind hat nicht nur ein Recht auf Wohnung, Nahrung, Kleidung, sondern auch auf Liebe, Erziehung, gutes Beispiel und allen jenen Frieden, den ein junges Menschenleben braucht und den nur die Familie geben kann. Das Kind wird von einer Ehescheidung am meisten getroffen. Sie ist ein Riss, der durch das Herz des Kindes geht und schwere Schatten auf sein Leben wirft.

Leo XIII. schreibt in seiner Enzyklika Arcanum: „Wie viele übel im Gefolge der Ehescheidung sich ergeben, ist kaum nötig zu erwähnen. Durch sie werden die Ehebündnisse wandelbar, wird abgeschwächt die gegenseitige Liebe, wird eine verderbliche Verlockung zur Untreue gegeben, erleidet der Unterricht und die Erziehung der Kinder Schaden, wird Gelegenheit geboten zur Lockerung der häuslichen Gemeinschaft, wird eine Saat von Zwietracht in den Familien ausgestreut, wird die Würde der Frauen geschmälert und erniedrigt, indem ihnen die Gefahr droht, verlassen zu werden, nachdem sie der Lust des Mannes gedient haben. Und da nichts so mächtig ist, die Familie zu verderben und die Kraft der Reiche zu brechen als das Verderbnis der Sitten, so lässt sich leicht einsehen, daß die Ehescheidungen das Gedeihen der Familien und des Gemeinwesens in höchstem Maße hindern, und wie sie in dem sittlichen Verderbnis der Völker ihren Ursprung haben, so auch, wie die Erfahrung lehrt, zu noch größerem Unheil im Privatleben wie im öffentlichen Leben Tür und Tor öffnen.“
Sicherlich mag bei innerer Entfremdung der Gatten das Wort „unauflöslich“ bergschwer auf den Herzen lasten. Aber auch unter solchen misslichen Verhältnissen lässt sich der Bruch noch oft vermeiden. Es heißt eben aus der Not eine Tugend machen und durch Nachgiebigkeit und Güte die seelischen Gegensätze ausgleichen. Es ist dies eine harte Schule: aber ist die Ehe nicht auch ein Opferfeld und Sorgendienst? Auch die sogenannten unglücklichen Ehen tragen in sich den verborgenen Keim wahren Glückes. Es gibt kein Glück und keine Seligkeit, die nicht dem Leid abgerungen wurden. Nur unchristliche Schwäche und Feigheit wirft bei auftauchenden Misshelligkeiten gleich die Flinte ins Korn und ruft nach Scheidung. „Die Liebe trägt alles, duldet alles, sucht nicht das Ihre“ (1 Kor 13,4). Das muß besonders von der ehelichen Liebe gelten. Sanftmütige Liebe war das Mittel, durch das die h1. Monika den Wutausbrüchen ihres noch heidnischen Mannes Einhalt tat. Wunderten sich andere, wie sie seine üblen Launen ertragen könnte, so antwortete sie: „Wenn ich meinen Mann erzürnt sehe, so Widerspreche ich ihm nicht, sondern schweige demütig und bitte Gott, dass er ihm Geduld verleihe.“ Allmählich wurde sein Herz umgewandelt, und Monika erlebte den Trost, ihn zuletzt noch als guten Christen zu sehen. Geduld und Sanftmut können viele graue Wolken am Ehehimmel verscheuchen. Religiöser Sinn ist die stärkste Stütze der Pflicht und schafft aus Ehegatten, namentlich aus Frauen, oft Helden.
Sind die Verhältnisse ganz und gar unerträglich und unheilbar geworden, dann gestattet die Kirche den Eheleuten, dass sie durch Ausspruch des zuständigen Bischofs die eheliche Gemeinschaft, d. i. die Gemeinschaft des Bettes, des Tisches und der Wohnung für immer oder auf bestimmte Zeit aufheben. Das eheliche Band bleibt aber in diesem Fall unversehrt erhalten, so dass eine neue Eheschließung, auch für den etwa unschuldigen Teil, ausgeschlossen ist. Es mag sein, dass das Lebensglück eines unschuldig geschiedenen Gatten durch die Unmöglichkeit einer neuen Verheiratung vollständig zerstört wird. Es kann ein Mensch unter solchem unverschuldeten Leid unsagbar schwer zu tragen haben. Ein solcher mag das Gesetz der ehelichen Unauflöslichkeit als eine bittere Grausamkeit empfinden. Aber mit Rücksicht auf die Gesamtheit kann von diesem Gesetz in keinem Fall eine Ausnahme gemacht werden. „Wer nennt es eine Grausamkeit, wenn ein General eine Kompanie opfert, um ein Armeekorps zu retten, wenn ein Staat die Aussätzigen auf eine einsame Insel verbannt, um ein Volk vor Ansteckung zu bewahren, wenn ein Arzt ein Bein abnimmt, um ein Leben zu retten? Wer hier von Grausamkeit redet, missbraucht das Wort. Denn eine Forderung, die absolut notwendig ist, deren Unterlassung noch größeres Leid brächte, kann nicht grausam sein“ (P. Bönner).
Und doch kann man ab und zu lesen, dass die Kirche eine Ehe wieder aufgelöst hat. Wie ist dies zu verstehen? Eine zwar gültig geschlossene, aber noch nicht durch den ehelichen Verkehr vollzogene Ehe unter Getauften kann dem Bande nach gelöst werden: 1. durch die vom Heiligen Vater zu gewährende Dispens. (Hier liegt also in Wirklichkeit eine Scheidung, eine Zerreißung des tatsächlich bestehenden Ehebandes vor. Der tiefste Grund für die Möglichkeit der Lösung einer noch nicht vollzogenen Ehe liegt darin, dass eine solche Ehe eben noch nicht vollständig ist.) In Wirklichkeit kommen solche päpstlichen Dispense äußerst selten vor. 2. Durch Ablegung der feierlichen Ordensgelübde durch den einen Eheteil (Ordensprofess ist gleichsam geistiger Tod für die Welt und geistige Ehe mit Gott).
Die kirchlichen Ehegerichte können keine Ehe „scheiden“, sondern sie können nur feststellen, ob eine Ehe von Anfang an gültig war oder nicht. Bei diesen kirchlichen Eheprozessen wird mit größter Vorsicht und Gewissenhaftigkeit vorgegangen. Es wird dabei die Gültigkeit der Ehe so lange angenommen, bis ihre Ungültigkeit völlig einwandfrei nachgewiesen ist. Mit welchem Verantwortungsbewusstsein die kirchlichen Ehegerichte ihre oft recht schwierige Arbeit leisten, ergibt sich klar aus den Veröffentlichungen der Urteile des obersten Gerichtshofes im päpstlichen Amtsblatt. Sie beweisen jedem, der sehen und hören will, augenscheinlich, dass hier nicht nach Laune und Willkür, erst recht nicht nach geldlichen Leistungen, sondern nach den Grundsätzen unbestechliche Gerechtigkeit und Wahrheitsliebe geurteilt wird.

Alphons Maria Rathgeber „Kirche und Leben“ „ein Buch von der Schönheit und Segenskraft der Kirche. Verlag Albert Pröpster, Kempten im Allgäu 1956. S. 144-147

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