26.08.2018

Das Gebet vereint die Seele mit Gott



„In aller Frühe… ging Jesus an einen einsamen Ort,
um zu beten“
Das Gebet vereint die Seele mit Gott. Selbst wenn unsere durch die Gnade neu aufgerichtete Seele naturgemäß immer Gott ähnlich ist, so ist sie ihm doch infolge der Sünde oft unähnlich. In diesem Fall bezeugt das Gebet, dass die Seele nach dem streben sollte, was der Wille Gottes ist. Es tröstet das Gewissen und macht uns bereit, Gnade zu empfangen. So lehrt Gott uns, mit festem Vertrauen darum zu beten, dass wir empfangen, worum wir beten; denn er blickt uns liebevoll an und möchte, dass wir uns mit seinem segensreichen Wollen und Tun vereinen. Er regt uns also an, um das zu beten, was er tun möchte…; er scheint uns sagen zu wollen: „Was könnte mir besser gefallen, als wenn ihr mich mit Leidenschaft, Klugheit und Ausdauer bittet, meine Ratschlüsse auszuführen?“ Durch das Gebet also bringt sich die Seele in Übereinstimmung mit Gott.
Wenn der Herr aber, gnädig und liebenswürdig wie er ist, sich unserer Seele offenbart, erhalten wir auch, was wir ersehnen. In diesem Moment können wir uns nicht vorstellen, dass wir uns Anderes wünschen wollten. Unser ganzes Verlangen, unsere ganze Kraft sind auf die Betrachtung des Herrn gerichtet. Es ist ein erhabenes, ein unauslotbares Gebet, so scheint es mir. Alleiniges Ziel unseres Betens ist, durch Betrachtung und Kontemplation mit dem eins zu werden, zu dem wir beten: mit wunderbarer Freude und ehrfürchtiger Scheu, in solcher Zartheit und Wonne, dass wir da nur noch so beten können, wie er uns führt. Ich weiß: Je mehr sich Gott einer Seele offenbart, umso mehr dürstet sie dank seiner Gnade nach ihm. Jedes Mal aber, wenn wir ihn nicht sehen, verspüren wir in unserer Schwachheit und Unfähigkeit das Bedürfnis, im Gebet zu Jesus zu kommen.

Juliana von Norwich (1342-nach 1416), englische Inklusin
Offenbarungen von göttlicher Liebe, Kap. 43 
in „Evangelium Tag für Tag“

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